Bundeskriminalamt (BKA)

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Das Symbol der „Identitären",6) der griechische Buchstabe Lambda in Gelb auf schwarzem Grund, steht für die Lakedaimonier (Spartaner), die sich 480 vor Christus der persischen Übermacht an den Thermopylen heldenhaft entgegenstellten, um (nach dieser Deutung) „die Identität des Abendlandes" zu retten. Die Radikalisierung der Gruppierungen kommt nach Einschätzung der Verfassungsschutzämter in der Rekrutierung von Aktivisten aus rechtsextremistischen Organisationen zum Ausdruck.7) Ehemalige Funktionäre der „Jungen Nationaldemokraten" (NPD Jugendorganisation) sind inzwischen bei den „Identitären" aktiv.

Dennoch ist die Kluft zwischen NPD- und AfD-Milieu nicht zu übersehen. Analysen zur Dresdener Pegida zeigten dies deutlich. Im Januar 2016 erklärten 53,3 % der befragten Pegida-Anhänger ihre Wahlbereitschaft für die AfD, aber nur 8,7 % für die NPD.8) NPD-Redner traten bei Pegida nicht auf. Da der AfD-Bundesvorstand 2016 einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber Pegida fasste, war das Verhältnis lange Zeit ambivalent. Offizielle Parteilinie war eine Distanzierung, die allerdings nicht von allen Vertretern der Partei geteilt wurde. Der Unvereinbarkeitsbeschluss wurde im März 2018 aufgehoben.9) Seitdem sprechen regelmäßig AfD-Politiker bei den Pegida-Demonstrationen.

Andere „Gidas", die sich ab 2015 teils nach Dresdener Vorbild in vielen deutschen Städten bildeten, wiesen stärkere Verfechtungen mit dem klassischen rechtsextremistischen Milieu auf. Bei der Leipziger „Legida" traten auch Personen aus dem NPD-Umfeld als Redner auf. Eine rechtsextremistische Musikgruppe („Kategorie C") intonierte den Titel „Hooligans gegen Salafisten", ohne dass dies Anstoß erregte.10) Bei der Berliner „Bärgida" nahm ein journalistischer Beobachter folgende Teilnehmergruppen wahr: „Da laufen ältere Holocaust-Leugner neben jungen Nazi-Hools, Anhänger der sonst praktisch nur im Internet präsenten Identitären Bewegung neben den Überbleibseln von Gruppen wie ‚Pro Deutschland‘ und ‚German Defence League‘."11)

Logo: Bürgerbewegung pro Deutschland
Logo der Bürgerbewegung pro Deutschland

In den Jahren 2014 bis 2017 bildeten sich in der gesamten Bundesrepublik asylfeindliche Initiativen, die in der Regel Facebook-Gruppen betrieben, lokale Protestveranstaltungen organisierten und regionale Informationsveranstaltungen zum Thema Asyl störten. Im Zuge dieser Entwicklungen ist es der rechtsextremen Szene an vielen Orten gelungen, an in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitete Diskurse anzuknüpfen, neue Anhänger zu rekrutieren und mit nicht-extremistischen Akteuren zusammenzuarbeiten.12) Die Ablehnung der Aufnahme von Geflüchteten und eine pauschale Abwertung des Islam waren dabei die verbindenden inhaltlichen Elemente.

Die „Pro-Bewegung" zählte zu den ersten Vereinigungen rechtsaußen, die sich dem „Kampf gegen die Islamisierung" verschrieben. Sie ging Mitte der 1990er Jahre aus der „Bürgerbewegung pro Köln" hervor und hat ihren Schwerpunkt nach wie vor in Nordrhein-Westfalen. Die „German Defence League" (GDL; Logo: kreisförmig weiß umrandetes nordisches Kreuz in schwarz-rot-gold) entstand viel später (2010) nach dem Vorbild der britischen „English Defence League". Sie ist anders als Pro NRW nicht parteiförmig verfasst, teilt aber mit ihr den vorwiegend muslimfeindlichen Protest, den sie vor allem im Demonstrationsgeschehen lautstark artikuliert. Ihr Symbol wandelt die Wirmer-Flagge ab, indem sie die nordeuropäische Kreuzform aufnimmt, sie aber in die Farben schwarz-rot-gold fasst. Das Kreuz steht für die Verteidigung des „christlichen Abendlandes" gegen „den Islam".

Christliche Kreuze wird man bei Neonationalsozialisten („Neonazis") vergeblich suchen. Der Odinismus (mit der Verteidigung der starken nordischen Götter gegen die „Schwächlingsreligion" der Nazarener) ist dort weiter verbreitet als das Christentum, auch wenn merkwürdig „arisierte Christen" nicht fehlen.

Die Szene entstand in der alten Bundesrepublik Ende der 1960er Jahre und knüpfte in ihrem Selbstverständnis an den historischen Nationalsozialismus oder bestimmte seiner Unterströmungen (wie die „NSDAP-Linke" um die Gebrüder Straßer) an.

Teile fusionierten nach der deutschen Vereinigung mit in der DDR eigenständig entstandenen Gruppen und profitierten vom sozialen Stress der Systemtransformation. Aufgrund hohen Repressionsdrucks und zahlreicher Vereinigungsverbote wandelte sich die Szene im Laufe der Jahrzehnte stark. Reagierte sie anfangs noch mit Neugründungen, ging sie später zunehmend zu informeller Vernetzung mittels der sich rasch verbreitenden neuen Kommunikationstechnologien (Infotelefone, Mailboxen, Internetforen, Messengerdienste) über. Für den Szenezusammenhalt gewannen Kundgebungen auf nationaler (seit 2000 die Trauermärsche anlässlich der Bombardierung Dresdens 1945) wie internationaler Ebene an Bedeutung.

Kameradschaft

Als „Kameradschaften“ werden Gruppierungen aus der neonazistischen Szene bezeichnet, welche unterschiedliche Organisationsgrade haben, jedoch oftmals aus losen Personenzusammenschlüssen bestehen.

Ihre Symbolik arbeitet aufgrund zahlreicher Propagandadelikte (unter Strafe stehen nicht nur traditionelle NS-Formen wie Hakenkreuz und Hitlergruß, sondern auch die Abzeichen verbotener Vereinigungen) mit Codes wie „18" oder „88" (nach der Reihenfolge im Alphabet für „Adolf Hitler" oder „Heil Hitler"). Das äußere Erscheinungsbild passte sich den Erwartungshaltungen der Altersgruppe der 16-24-Jährigen an. Viele „Kameradschaften" verringerten ihre Führerzentriertheit, öffneten sich für neue, ursprünglich „linke" Themen (Antiglobalisierung, „Hartz IV") und übernahmen Stilelemente und Aktionsformen ihrer militant-„antifaschistischen" Kontrahenten.13) Einen Höhepunkt dieser Entwicklung stellte das Auftauchen „nationaler Schwarzer Blöcke" mit bis dahin untypischem, „autonomem" Erscheinungsbild (Vermummung, Palästinensertücher, Anstecker mit abgewandelten Parolen, Baseball-Mützen) dar – zunächst ab etwa dem Jahr 2002 in Berlin, bald darauf auch an Rhein und Ruhr und durch den Nachahmungseffekt sehr schnell in weiteren Regionen.

Die „Autonomen Nationalisten" gewannen Anhänger und wirkten in der NS-affinen Szene stilbildend.14) Die von ihren linksextremistischen Gegenspielern kaum noch zu unterscheidenden Militanten traten bei Demonstrationen aggressiver als andere Gruppierungen auf, bildeten „Schwarze Blöcke" und griffen politische Kontrahenten wie auch Polizeibeamte an. Erkennungszeichen wie Markenkleidung („Consdaple", „Pit Bull", „Thor Steinar" etc.) oder germanisch-keltische Runen (Keltenkreuz, Odalsrune, Triskele etc.) fallen nur bei genauem Hinsehen auf.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen

Bildquellen