Bundeskriminalamt (BKA)

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„Skinheads“

meint die subkulturelle Szene, welche Anfang der 1970er Jahre in Großbritannien entstand und sich durch einen dominanten Männlichkeitskult auszeichnet. In Deutschland kam es zu engen Verflechtungen zwischen Teilen der Skinhead-Szene und jugendlichen Neonationalsozialisten.

Die engsten Verfechtungen entstanden zwischen Neonationalsozialisten und organisierten Teilen rechtsextremer Skinheads wie den US-amerikanischen „Hammerskins“. Die von dem britischen Skinhead, Musiker und „Bandleader“ („Skrewdriver“) Ian Stuart Donaldson in den 1980er Jahren gegründete Organisation „Blood & Honour“ (die Losung „Blut und Ehre“ wurde u. a. von der Hitlerjugend verwendet), deren Jugendorganisation „White Youth“ und die Kampfgruppe „Combat 18“ („18“ für AH, „Adolf Hitler“) wurden im Jahr 2000 in Deutschland verboten, setzten ihre Aktivitäten jedoch teilweise konspirativ fort.

Mehrere Gruppierungen, die in der Mischzone zwischen NS-affinen Kameradschaften und offen rechtsextremistisch agierenden Skinheads angesiedelt waren, entwickelten rechtsterroristische Ansätze. Der bekannteste und am detailliertesten aufgearbeitete Fall (die Berichte der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Dresden, Erfurt, Wiesbaden, Stuttgart, München und Berlin füllen tausende von Seiten) ist der des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU), der sich Ende der 1990 Jahre aus dem „Thüringer Heimatschutz“ entwickelte.

Logo: Combat 18
Combat 18

Der Gruppe werden neun Morde an türkisch- und griechischstämmigen Einwanderern sowie an einer Polizistin (in den Jahren 2000 bis 2006) und weitere Anschläge / Banküberfälle zur Last gelegt.19) Das „Blood & Honour“-Netzwerk unterstützte die Rechtsterroristen dabei mit Waffen, Geld, Wohnungen und strategischen Kontakten.20)

Folgen des Versagens der Sicherheitsbehörden bei der Aufdeckung des NSU waren strukturelle Veränderungen der Sicherheitsarchitektur und eine stärkere präventive Beobachtung von Strukturen, aus denen sich Rechtsterrorismus entwickeln könnte. Dies hat zu einem Anstieg von Verfahren gegen Gruppen geführt, bei denen ein planhaft-gewaltsames Vorgehen vermutet wird. Am meisten betroffen ist die NS-affine Szene. Im Januar 2016 durchsuchten Beamte Wohnungen von mutmaßlichen Betreibern der rechtsextremistischen Internetplattform „Altermedia Deutschland“ in Nordrhein-Westfalen, Baden- Württemberg, Berlin, Thüringen und im katalanischen Lloret de Mar. Im März 2016 verbot der Bundesinnenminister die neonationalsozialistische Gruppierung „Weiße Wölfe Terrorcrew“, eine im Jahr 2008 aus einer Fangruppe der nordrhein-westfälischen Skinheadband „Weiße Wölfe“ entstandene Vereinigung.

Als terroristische Vereinigung verurteilt wurde die „Gruppe Freital“, der u. a. mehrere Sprengstoff-Attentate auf Flüchtlingsunterkünfte im sächsischen Freital sowie auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden zur Last gelegt wurden.

Gleiches galt für zwei Mitglieder der Gruppe „Old School Society“, gegen die der Generalbundesanwalt Anklage erhob.21)

Logo: Old School Society
Old School Society

Auch der Gruppe „Nordadler“, gegen deren Mitglieder Mitte April Old School Society 2018 Durchsuchungen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Thüringen stattfanden, wurde unter anderem zur Last gelegt, die Vorbereitung von Anschlägen auf politische Gegner erwogen sowie Waffen und Sprengstoff beschafft zu haben.22) In Chemnitz eröffnete der Generalbundesanwalt im September 2018 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung gegen eine Gruppe namens „Revolution Chemnitz“.23)

Reichsbürger

Reichsbürger-Symboliken: Reichsadler, Reisepass mit Aufschrift ”Deutsches Reich” und Autokennzeichen mit Kürzel ”DR” und Bismarck-Farben.

Unter Bezeichnungen wie „Reichsbürger“, „Reichsbürgertum“, „Reichsideologie“ oder „Reichsbürgerbewegung“ werden Personen erfasst, die von der Fortexistenz des Deutschen Reiches ausgehen und die Recht-mäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Staat bestreiten. Davon zu unterscheiden sind „Selbstverwalter“, die sich selbst als „Staatenlose“ bezeichnen, weil sie sich keiner „Exilregierung“ und keinem Fantasiestaat zugehörig fühlen.

Bei ihnen fehlen daher auch die teils prächtigen, teils schlichten, teils karikaturistischen, teils skurrilen Hoheitszeichen, die „Reichsbürger“ (etwa der „Reichsbewegung“, der „Exilregierung Deutsches Reich“, des „Freistaates Preußen“, des „Fürstentums Germania“, der „Republik Freies Deutschland“, des „Königreichs Deutschland“ oder der „Bundesstaaten“ „Baden“, „Bayern“, „Sachsen“ „Württemberg“) verwenden.

Infolge mehrerer spektakulärer Gewaltstraftaten geriet die Szene der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ins Visier der Ermittlungsbehörden. Im April 2018 informierte die Bundesanwaltschaft über Hausdurchsuchungen bei „Reichsbürgern“, die im Verdacht stünden, schwere Gewalttaten zu planen. Die Beschuldigten identifizierten sich mit dem deutschen Kaiserreich der Jahre 1871 bis 1918 und lehnten die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Sie hätten sich zusammengeschlossen, um die Bundesrepublik durch eine am Kaiserreich ausgerichtete Ordnung zu ersetzen und zu diesem Zweck auch „in Betracht gezogen“, „nötigenfalls zielgerichtet Menschen zu töten.“24)

An einigen Universitäten existieren Burschenschaften mit rechtsextremer Tendenz. Eine Klage gegen das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, das die Erlanger Burschenschaft Frankonia im Jahr 2015 im Verfassungsschutzbericht erwähnt hatte, wies das Verwaltungsgericht München im April 2018 als unbegründet zurück.25)

Einerseits weisen Akteure, Symbole und Inhalte des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus eine große programmatische, organisatorische und strategische Vielgestaltigkeit auf, so dass es verfehlt wäre, sie als homogene Masse anzusehen. Andererseits verstehen sich große Teile des Spektrums als Teil einer Bewegung. Mobilisierende Ereignisse verdeutlichen dies: Angesichts eines (bis heute nicht hinreichend aufgeklärten) Tötungsdelikts von Ausländern an einem jungen Deutschen in Chemnitz (so zumindest die Wahrnehmung der Szene) gelang es Rechtsextremen und Rechtspopulisten Ende August 2018, innerhalb eines Tages mehrere tausend Menschen zu mobilisieren, um gemeinsam auf der Straße zu demonstrieren. In der Woche nach dem Tötungsdelikt waren in Chemnitz mehrfach verschiedene Gruppen und Strömungen des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gemeinsam vor Ort. Am 1. September 2018 meldete die AfD gemeinsam mit Pegida in Chemnitz eine Demonstration an, der sich die Teilnehmer der rechtspopulistischen Wählervereinigung „Pro Chemnitz“ anschlossen. Die ersten Reihen des Aufzuges bestanden aus der sächsischen AfD-Landtagsfraktion und einigen AfD-Parteifunktionären aus anderen Bundesländern, den Protagonisten von Pegida, dem „Ein Prozent“-Vorsitzenden und führenden Vertretern des „Instituts für Staatspolitik“. In den Demonstrationszug reihten sich ehemalige Mitglieder des verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes, der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (Abkürzung: HDJ), der NPD, freier Kameradschaften, der rechtsextremen Hooliganszene und anderer rechtsextremer Gruppen ein.26) Innerhalb der AfD löste das in den Medien kolportierte vereinte Vorgehen ein gespaltenes Echo aus. Dessen ungeachtet bewies das Ereignis die Mobilisierungsfähigkeit des rechtsextremen und rechtspopulistischen Lagers.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen

Bildquellen