Bühne des Kapitels / Moduls
Linksextremismus
2.3 Phänomene der Politisch motivierten Kriminalität
Inhalt des Kapitels / Moduls
Die „marx21“ und die „Sozialistische Alternative“ (SAV) sind zwei Beispiele für den organisationspolitischen Linksextremismus, wobei hier die Besonderheit in einer trotzkistischen Orientierung18) besteht.
Beide zählen zu über 20 einschlägig ausgerichteten Organisationen und sind dort mit jeweils rund 300 Mitgliedern die größten Zusammenschlüsse. Der „Entrismus“ gehört zu ihrer grundlegenden Strategie: Gemeint ist damit das offene oder verdeckte Eintreten in andere, meist linke Organisationen, um dort als engagierte und geschlossene Minderheit größeren Einfluss zu erlangen. Mit dieser Absicht traten die Mitglieder beider Organisationen auch der Partei „Die Linke“ bei. In ihr konnten Angehörige von „marx21“ durchaus hohe Funktionen als Mandatsträgerinnen und -träger oder Posten in der Partei einnehmen, was den Mitgliedern der SAV allerdings nicht gelang. Beide Gruppen bzw. Organisationen werden in der Partei „Die Linke“ geduldet und können dort ihren politischen Einfluss entfalten.

Im Bereich des organisationspolitischen Linksextremismus ist die „Rote Hilfe“19) von besonderer Bedeutung, was an der relativ hohen Mitgliederzahl von 9.200 ablesbar ist. Die 1975 neu gegründete Organisation (es gab einen an der „Kommunistischen Partei Deutschlands“ orientierten Vorläufer in der Weimarer Republik) gibt sich als soziales Hilfswerk, das angeblich Personen unterstützen will, die aus politischen Gründen verfolgt werden. Dazu gehören auch Gewalttäterinnen und Gewalttäter. Immer wieder wird auf angebliches Fehlverhalten seitens der Justizbehörden und der Polizei verwiesen, gelten sie doch als Akteure eines verachteten staatlichen Repressionsapparates.
Es geht dabei aber häufig nicht um ein selbstloses bürgerrechtliches Engagement, denn bei einer Kooperation von Verhafteten mit der Polizei erlischt mitunter die Unterstützung. Dadurch zeigt sich ganz offen die Ablehnung gegenüber Institutionen des Rechtsstaates. Diese Ausrichtung ist manchen linken Demokratinnen und Demokraten, die Mitglieder der Organisation sind, nicht richtig klar. Die Gruppe „GegenStandpunkt“ gehört ebenfalls zum organisationspolitischen Linksextremismus. Dabei handelt es sich um die Fortsetzung der „Marxistischen Gruppe“,21) die 1980 an verschiedenen Universitäten entstand.

Deren Aktivistinnen und Aktivisten traten mit aggressiver und destruktiver Kritik auf, störten Seminare und Vorlesungen und warben über Publikationsorgane und Veranstaltungen für ihre Vorstellungen. Das elitäre Gehabe und der starke Zynismus führten hingegen zur Isolation. Auffällig ist das Bemühen, Anhängerinnen und Anhänger in Schaltstellen von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft zu etablieren. Nachdem diese Aktivitäten Anfang der 1990er-Jahre öffentlich bekannt wurden, löste man sich auf. Bereits 1992 entstand jedoch mit der Gruppe „GegenStandpunkt“ eine informelle Nachfolgeorganisation um eine gleichnamige Zeitschrift. Ihr werden derzeit 3.000 Personen zugerechnet, welche insbesondere an Universitäten aktiv sind.
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Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul
Fussnoten
1)
Eine ausführliche Erläuterung dazu findet sich in: Pfahl-Traughber 2014a, 15-28.
2)
Vgl. als ältere Gesamtdarstellungen: Langguth 1983; Moreau/Lang 1996; zudem als neuere Gesamtdarstellungen: Bergsdorf/van Hüllen 2011; Pfahl-Traughber 2014.
3)
Dietel/Hirschmann/Tophoven 2006.
4)
Pfahl-Traughber 2014a, 168-170.
5)
Ebd., 167-168.
6)
Ebd., 170-171.
7)
Dietel/Hirschmann/Tophoven 2006; Pfahl-Traughber 2014a, 173-176.
8)
Ebd., 153-165.
9)
Siemens 2007.
10)
Vgl. unter anderem Fülberth 1990; Hirscher/Pfahl-Traughber 2008.
11)
Alle Angaben zu Anhängern oder Mitgliedern linksextremistischer Personenzusammenschlüsse stammen aus den Verfassungsschutzberichten und beziehen sich auf den Stand Ende 2017. Mit guten Gründen kann man ihnen kritisch gegenüberstehen, zumal es sich mitunter nur um allgemeine Schätzungen handelt. Es gibt aber keine andere Datengrundlage dafür.
12)
Vgl. unter anderem van Hüllen 2007; Müller-Enbergs 2008.
13)
Drechseler/Hilligen/Neumann 2003, 627-628 (Maoismus), 937-939 (Stalinismus).
14)
Pfahl-Traughber 2014b.
15)
Langguth 1983; Pfahl-Traughber 2013a.
16)
Langguth 1983, 124-125.
17)
Vgl. unter anderem Pfahl-Traughber 2013b; Pfahl-Traughber 2014a, 111-124.
18)
Vgl. unter anderem Brandt 2017, 69-95; van Hüllen 2014.
19)
Vgl. unter anderem Blank 2019; Pfahl-Traughber 2014a, 131 folgend.
20)
Pfahl-Traughber 2014a, 126 folgend.
21)
Vgl. unter anderem Bundesministerium des Innern 1995; Fraude 2003.
22)
Backes 2017; Decker 2018.
23)
Pfahl-Traughber 2014a, 117-118.
24)
Die Linke; Verfassungsschutzbericht 2017, 159.
25)
Marxistisches Forum; Verfassungsschutzbericht 2017, 158.
26)
Die Linke; Jesse 2011, 83-98.
27)
Backes 2017, 119-135; Verfassungsschutzbericht 2017, 155.
28)
Brandt 2017, 69-95; Verfassungsschutzbericht 2017.
29)
Brandt 2017, 69-95; van Hüllen 2014.
30)
Pfahl-Traughber 2014a, 125 folgend.
31)
Vgl. unter anderem Haunss 2004; Pfahl-Traughber 2017.
32)
Pfahl-Traughber 2014a, 139 folgend.
33)
„Gentrifizierung“ meint die Umstrukturierung von Wohngebieten insbesondere in Großstädten, welche zu einem starken Anstieg von Mieten und damit zum Wegzug von Bewohnern mit geringem Einkommen führt. „Globalisierung“ steht für eine weltweite Wirtschaftspolitik, die auf eine freie Marktwirtschaft mit der Folge von wachsender sozialer Ungleichheit sowohl in den Entwicklungsländern wie in den Industriestaaten setzt.
34)
Vgl. Baron 2016; ansonsten hat sich die Extremismusforschung noch nicht mit diesem Phänomen beschäftigt.
35)
Pfahl-Traughber 2014a, 136 folgend.
36)
Baron 2017.
37)
Haunss 2008, 447-474.
38)
Vgl. Pfahl-Traughber 2014a, 29-68.
39)
Vgl. Pfahl-Traughber 2011, 163-182; Pfahl-Traughber 2014a, 181-194.
40)
Vgl. unter anderem Bigalke 2004; Hanloser 2004.
41)
Drechseler/Hilligen/Neumann 2003, 632-633.
42)
Ebd., 627-628 (Maoismus) und 937-939 (Stalinismus).
43)
Brandt 2017, 69-95.
44)
Der Anspruch geht aber bei der DKP nicht mit der Realität einher. Bereits seit Jahren gibt es einen Konflikt zwischen zwei Strömungen: Während die einen sich den jeweils neuen Protestbewegungen stärker öffnen wollen, beharren die anderen auf der Orientierung an der traditionellen Arbeiterpartei. Damit einhergehende Kontroversen beschränken die politischen Wirkungsmöglichkeiten der Partei.
45)
Vgl. Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Abteilung Verfassungsschutz 2009, 2015.
46)
Interventionistische Linke 2019.
47)
Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport 2016, 13.
48)
Ebd., 16.
49)
Vgl. Bergsdorf/van Hüllen 2011, 34.
50)
Vgl. Galtung 1982; Marcuse 1966.
51)
Vgl. Baron 2016.
52)
Vgl. ebd. 72 ff.
53)
Interventionistische Linke 2019.
54)
Mit Beginn der 1990er Jahre bildete sich mit den sogenannten Antideutschen eine neue Strömung innerhalb des autonomen Spektrums heraus, die sich gegen einen vermeintlichen deutschen Nationalismus wandte. Vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung befürchteten ihre Aktivistinnen und Aktivisten ein Erstarken des Nationalismus innerhalb der vereinigten Bundesrepublik und eine Rückkehr zum Nationalsozialismus. Im Zuge der Golfkriege von 1990 und 2003 solidarisierten sie sich bedingungslos mit dem Staat Israel und seiner Schutzmacht, den USA, woraufhin es zum Bruch mit den übrigen Autonomen kam.
55)
„ums Ganze!“ 2018a.
56)
Ebd.
57)
"ums Ganze!" 2018b.
58)
Interventionistische Linke 2018.
59)
Dem Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zufolge weisen die postautonomen Strukturen von IL und uG einen Mitgliederstand von rund 1.330 Personen auf, während die Gesamtheit der „Autonomen“, bzw. der „gewaltorientierten Linksextremisten“ mit rund 7.400 Personen angegeben wird. Vgl. Verfassungsschutzbericht 2018, 118 ff.
60)
Baron 2016, 78.
61)
Lethen 2012, 18.
62)
Ebd.
63)
Groh 1973, 59.
64)
DSAN 2015.
65)
Zweiter Mai 2016.
66)
Vgl. Wennerhag/Jämte, 19.
67)
Kapser 2018, 85.
68)
Ebd., 97f.
69)
Ebd., 155.
70)
Thesen zur autonomen Bewegung von 1981 (ebenso zwei bearbeitete Varianten der 1980er- und 1990er-Jahre), zit. nach: Kongreßlesebuchgruppe 1995, 276.
71)
Vgl. Haunss 2013, 26-42.
72)
Thesen zur autonomen Bewegung von 1981, zitiert nach: Kongreßlesebuchgruppe 1995, 275.
73)
Vgl. Haunss 2013, 27.
74)
DSAN 2014.
75)
Autonome L.U.P.U.S-Gruppe 1987, 17.
76)
Ebd., 11.
77)
Ebd., 19.
78)
Vgl. Haunss 2004, 134.
79)
Ebd., 137 und 139.
80)
Vgl. Autonome Antifa (M) 1994.
81)
Hinter der Formel „revolutionärer Antifaschismus“ verbirgt sich die Vorstellung eines Antifaschismus, der seine Aufgabe nicht nur in einer Zurückdrängung der extremen Rechten sieht, sondern sich dem Kampf gegen das Bündel gesellschaftlicher Verhältnisse (Kapitalismus, Rassismus, Sexismus etc.), die angeblich Faschismus ermöglichen, verschrieben hat. Vgl. Keller 2011, 95 ff.
82)
AK Wantok 2010, 199.
83)
Ebd., 209.
84)
Interventionistische Linke 2014, 19.
85)
Bernhardt 2019.
86)
Interventionistische Linke a.
87)
Interventionistische Linke b.
88)
Baron 2017.
89)
Vgl. Grigat 2007.
90)
Vgl. Kirsche-Humboldt, in: taz vom 20.05.2017.
91)
So heißt es bspw. im IL Zwischenstandspapier: „Notwendiger Bestandteil einer solchen radikalen Transformation ist der revolutionäre Bruch, dem wiederum viele kleine Brüche, die entlang von Kämpfen stattfinden, vorausgehen und folgen. Um den Weg zu einer befreiten Gesellschaft freizumachen, braucht es die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und der Kapitalverwertung, auf denen die ökonomische Macht basiert, und die Überwindung des bürgerlichen Staatsapparates als Garant dieser Eigentumsordnung.“, IL- Zwischenstandspapier, 29.
92)
Baron 2016, 71 folgend.
93)
Interventionistische Linke c.
94)
Baron 2016, 72.