Bundeskriminalamt (BKA)

Navigation durch den Inhalt des Kapitels / Modules

Inhalt des Kapitels / Moduls

Bilanzierende Einschätzung des Gefahrenpotenzials des Linksextremismus

Wie kann das Gefahrenpotenzial des Linksextremismus eingeschätzt werden? Eine Antwort auf diese Frage muss differenziert ausfallen und die unterschiedlichen Erscheinungsebenen des gemeinten Phänomens unterscheiden.

Dabei soll zunächst auf die Gewaltdimension eingegangen werden: Die Ausführungen zu einschlägigen Handlungen machten deutlich, dass man sehr wohl von einem hohen Potenzial sprechen kann. Es ist aber begrenzt hinsichtlich der Gewaltintensität auf Körperverletzungen; Attentate wie im Linksterrorismus hat es nach dessen Niedergang nicht mehr gegeben. Gleichwohl agieren Autonome mitunter so, dass sie erhebliche Körperverletzungen bis hin zu möglichen Todesfolgen einkalkulieren. Das Gefahrenpotenzial ihrer Gewaltanwendung besteht aber nicht nur in dieser Hinsicht. Durch derartige Handlungen diskreditieren sie demokratische und friedliche Protestbewegungen, die auf bedenkliche Entwicklungen in Ökonomie und Politik aufmerksam machen wollen. Aber auch jenen mangelt es gegenüber Autonomen mitunter an einer klaren Distanzierung.

Eine andere Ebene des Gefahrenpotenzials ist die Wahlkandidatur. Hier besteht jedoch ein klares Bild, denn die linksextremistischen Parteien können keine Parlamentseinzüge verzeichnen. Noch nicht einmal Achtungserfolge gibt es bei einschlägigen Kandidaturen, bleibt man doch meist unter 0,3 % der Stimmen. Demgegenüber stellen extremistische Bestrebungen in der Partei „Die Linke“ ein Problem dar, was nicht nur für einschlägige Foren und Plattformen gilt. Es gibt hohe Funktionsträger und Parlamentsangehörige, die mit linksextremistischen Gruppierungen in unterschiedlichem Maße kooperieren. Dies wird sowohl innerhalb als auch außerhalb der Partei kaum problematisiert. Will „Die Linke“ als demokratische Partei wahrgenommen werden, sollte sie diesbezügliche Abgrenzungen und Klarstellungen vornehmen. Dies gilt auch und gerade gegenüber den Autonomen, die eben nicht nur gesellschaftskritisch, sondern gewaltorientiert sind. Dazu fehlt ein kritisches Bewusstsein in der Partei, wo derartige Fragen tabuisiert werden.

Und schließlich sei noch die gesamtgesellschaftliche Ebene angesprochen: Während in den 1970er- und 1980er-Jahren eine große Aufmerksamkeit für den Linksextremismus in der Öffentlichkeit bestand, ging diese in den folgenden Jahrzehnten immer mehr zurück. Dafür gab es nachvollziehbare Gründe, war doch das Gefahrenpotenzial des Islamismus (siehe Kapitel 2.2) und Rechtsextremismus (siehe Kapitel 2.1) höher. Dies bedeutet aber nicht, dass der Linksextremismus keine Relevanz mehr hat. Hinzu kommt noch ein anderer Gesichtspunkt: Die Anhänger dieses politischen Lagers greifen mitunter reale politische und soziale Probleme auf. Damit versuchen sie, in die breitere Gesellschaft hineinzuwirken und sich etwa als die konsequentesten Gegner des Rechtsextremismus zu geben. Der dabei artikulierte „Antifaschismus“ dient ihnen zur Selbstlegitimation. Indessen geht hier die Einsicht verloren, wonach die Ablehnung des Faschismus nicht ein Bekenntnis zur Demokratie bedeuten muss. Autonome sollten daher keine Bündnispartner für Demokraten sein.

Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass es sich bei dem beschriebenen Linksextremismus um ein komplexes Phänomen handelt. Zwar spricht die den Gruppierungen gemeinsame Frontstellung, die sich gegen die Grundlagen moderner Demokratie und offener Gesellschaft im Namen von „sozialer Gleichheit“ richtet, für eine Sammelbezeichnung im genannten Sinne. Gleichwohl dürfen die internen Differenzen in diesem politischen Lager nicht ignoriert werden: Dies gilt nicht nur für die ideologische Ausrichtung in den erwähnten Bereichen, sondern auch für die jeweiligen Handlungsstile und die soziale Zusammensetzung. Das wäre insbesondere gegenüber den behandelten Autonomen hervorzuheben, welche aufgrund ihres bewegungsförmigen Charakters kein in sich homogenes Phänomen darstellen. Hier bedarf es auch der Differenzierung, wenn über die Frage von Präventionsmaßnahmen nachgedacht wird. Diese können und müssen sich in der Ausrichtung je nach konkreter Zielgruppe deutlich unterscheiden.

Literatur

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

KapitelAbschlussNavigation_Titel