Bundeskriminalamt (BKA)

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Entwicklung des Terrorismusstrafrechts

Besonders eindrucksvoll lässt sich die zunehmende Bedeutung des präventiven Strafrechts an der Entwicklung des Terrorismusstrafrechts verdeutlichen. Angesichts der fortdauernden Bedrohung durch terroristische Anschläge besteht ein legitimes Bedürfnis, derartige Straftaten auch mit Mitteln des Strafrechts möglichst effektiv zu verhüten. Das Bedürfnis ist bei terroristischen Straftaten neuerer Erscheinungsformen wie etwa Angriffen radikalisierter Einzeltäter oder eingeschleuster terroristischer „Schläfer“ auf Menschenansammlungen, die zum zentralen Handlungsmuster des islamistisch motivierten Terrorismus geworden sind, besonders groß. Denn solche Taten richten sich nicht nur gegen das Leben einer Vielzahl von Menschen und damit gegen das höchste Rechtsgut. Sie stellen, da sie die Bevölkerung verunsichern und damit das Vertrauen der Menschen in den Staat und seine Organe untergraben wollen, darüber hinaus einen Angriff auf unsere freiheitliche, demokratische und rechtsstaatlich verfasste Gesellschaft dar. Neben diesem Bedürfnis besteht auch eine Erforderlichkeit für präventives Strafrecht, weil die herkömmlichen Tatbestände der zu verhütenden Delikte (insbesondere Straftaten gegen das Leben, Explosionsverbrechen) sowohl in ihrer general- als auch spezialpräventiven Zielrichtung weitgehend leerlaufen.40)

Das liegt zum einen daran, dass hochfanatisierte Täter, die oftmals den eigenen Tod als Folge der Tat einkalkuliert haben, sich auch durch die Androhung langer Freiheitsstrafen kaum abschrecken lassen. Zum anderen wäre der Tatbestand regelmäßig erst dann erfüllt, wenn es schon zu spät ist, nämlich wenn mit unmittelbarem Ansetzen zur Tat die Schwelle zum Versuch überschritten wurde. Will der Gesetzgeber deshalb nicht auf einen verfassungsrechtlich problematischen präventiven Freiheitsentzug nach Gefahrenabwehrrecht zurückgreifen, bleibt praktisch nur die Möglichkeit des Präventivstrafrechts. Die Schaffung neuer Tatbestände im Vorfeld der eigentlichen Anschlagstaten soll ermöglichen, potenzielle Täter terroristischer Anschläge bereits wegen der Tatvorbereitung strafrechtlich zu verfolgen, in Haft zu nehmen und ihnen damit die Basis zur Durchführung ihrer „Hauptstraftaten“ zu nehmen.41)

Dies wird der Aufgabe des Staates gerecht, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten und schwerwiegende und massenhafte Verletzungen von zentralen Rechtsgütern, wie Leib und Leben, durch terroristische Anschläge nach Möglichkeit rechtzeitig zu verhindern.42) Nach Schünemann hat das Strafrecht in diesem Hochrisikobereich nicht zuletzt auch die Aufgabe, „ein unerlässliches Instrument zum präventiven Rechtsgüterschutz und damit also durchaus auch ein Instrument zur Gefahrenabwehr zu sein“.43)

Der Weg von § 129a StGB zu §§ 89a bis c, 91 StGB

Bereits § 129a StGB, die zentrale Norm des materiellen Terrorismusstrafrechts, die als Folge des RAF-Terrors der frühen 1970er-Jahre durch das sogenannte Anti-Terroristengesetz vom 18. August 197644) mit Wirkung zum 20. September 1976 in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde, war präventiv ausgerichtet, denn sie enthielt eine bedeutsame Vorfeldkriminalisierung. Fortan war mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht, wer eine Vereinigung gründet, sich an ihr als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit auf die Begehung enumerativ bezeichneter schwerer Katalogtaten (insbesondere Mord, Totschlag, Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und bestimmte gemeingefährliche Straftaten) gerichtet sind.

Charakteristisch für diesen „vereinigungsbezogenen“ Ansatz ist, dass bereits die Anbindung an einen Personenzusammenschluss von mindestens drei Personen strafbar ist, ohne dass es überhaupt zu einer versuchten oder vollendeten Begehung einer der im Katalog bezeichneten schweren Straftaten kommen muss. Hierin liegt eine wichtige Vorverlagerung der Strafbarkeit, die in der Praxis – bei einem entsprechenden Verdacht – die Anordnung strafprozessualer Maßnahmen ermöglicht. Ferner erlaubte sie, im Sinne der negativen Spezialprävention, potenzielle Täter terroristischer Anschläge bereits vor deren Begehung in Haft zu nehmen.

Als Reaktion auf weitere terroristische Anschläge der RAF wurde § 129a StGB durch das sogenannte Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus vom 19. Dezember 198645) mit Wirkung zum 1. Januar 1987 verschärft. Durch die Erhebung zum Verbrechenstatbestand wurde zum einen der Versuch der mitgliedschaftlichen Beteiligung strafbar. Zum anderen wurde eine weitere Vorverlagerung der Strafbarkeit eröffnet, indem nun gemäß § 30 StGB auch bereits die versuchte Anstiftung und das Sichbereiterklären zur Mitgliedschaft strafbar wurden.

Offenbart bereits die Konzeption des § 129a StGB eine kontinuierliche Ausweitung des Terrorismusstrafrechts und eine Vorverlagerung der Strafbarkeit, wird diese Entwicklung noch augenfälliger, wenn man die relativ jungen Tatbestände der §§ 89a, 89b und 91 StGB betrachtet. Diese durch das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten vom 30. Juli 200946) mit Wirkung zum 4. August 2009 geschaffenen Straftatbestände haben die Strafbarkeit im terrorismusbezogenen Kontext in erheblicher Weise in den Bereich bislang strafloser Vorbereitungshandlungen vorverlagert. Hintergrund war die Erkenntnis des Gesetzgebers, dass allein mit den vereinigungsbezogenen Delikten der §§ 129a, 129b StGB der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus nicht wirksam begegnet werden konnte. Die Erwartung, dass terroristische Taten zunehmend durch radikalisierte Einzeltäter ohne konkrete Anbindung an eine terroristische Vereinigung begangen werden, hat sich in schmerzhafter Weise realisiert. Nach dem bis 2009 geltenden Recht waren Vorbereitungshandlungen zu schwersten Gewalttaten wie insbesondere tödliche Anschläge, die noch nicht die Schwelle zum Versuch überschritten, nur strafbar, wenn der oder die Täter als Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung handelten oder wenn unter den Voraussetzungen des § 30 StGB ein Zusammenwirken mehrerer und eine Konkretisierung der beabsichtigten Tat festgestellt werden konnten.47)

Mit § 89a StGB wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, also insbesondere einer Straftat gegen das Leben, unter Strafe gestellt, sofern diese nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. Darüber hinaus muss die Vorbereitung durch eine der in § 89a Abs. 2 StGB abschließend aufgeführten Vorbereitungshandlungen geschehen:

  • Sichunterweisenlassen in der Herstellung oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen oder ähnlich gefährlichen Tatmitteln (Beispielsweise.: Ausbildung im Terrorcamp),
  • Herstellen oder Sichverschaffen von Schusswaffen, Sprengstoffen oder ähnlich gefährlichen Tatmitteln oder
  • Sichverschaffen von Gegenständen oder Stoffen, die für die Herstellung von solchen gefährlichen Tatmitteln erforderlich sind (Beispielsweise.: Kauf von Chemikalien, Zündern, Rohren, Nägeln oder sonstigen Gegenständen, die zum Bau eines Sprengsatzes verwendet werden können).

§ 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) stellt bereits die Kontaktaufnahme zu einer terroristischen Vereinigung unter Strafe.48) § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) pönalisiert insbesondere die Verbreitung von Anleitungen, etwa zur Herstellung von Sprengsätzen, über das Internet, die zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat genutzt werden können.49)

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur