Bundeskriminalamt (BKA)

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Am 20. Juni 2015 trat der mit Gesetz vom 12. Juni 201550) geschaffene Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung (§ 89c StGB) in Kraft und ersetzte die bisherige Regelung in § 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB. Strafbar macht sich danach bereits, wer Vermögenswerte sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt und dabei beabsichtigt oder auch nur weiß, dass diese von einer anderen Person zur Begehung einer staatsgefährdenden Straftat verwendet werden sollen.

Durch dasselbe Gesetz wurde Abs. 2a als weitere strafbare Vorbereitungshandlung in die Vorschrift des § 89a StGB eingefügt. Danach macht sich strafbar, wer es unternimmt, aus der Bundesrepublik Deutschland in einen anderen Staat auszureisen, um dort eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen oder sich dort in der Herstellung oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen oder ähnlich gefährlichen Tatmitteln unterweisen zu lassen. Diese neue Strafvorschrift zielt auf die in den letzten Jahren erhebliche Zahl von Personen, die in die Konfliktregionen des Nahen und Mittleren Ostens ausgereist sind, um sich dort an bewaffneten Auseinandersetzungen zu beteiligen oder terroristische Ausbildungslager zu besuchen. Durch die Ausgestaltung als Unternehmensdelikt (vgl. § 11 Nr. 6 StGB) erfüllt sogar schon der (gescheiterte) Versuch der Ausreise den objektiven Tatbestand. Der kriminalpolitische Hintergrund ist vor allem darin zu sehen, dass nach früherer Rechtslage in Fällen einer vereitelten Ausreise in Richtung eines Terrorcamps keine strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung stand, sofern – wie insbesondere bei Gefährdern nach dem Handlungsmuster „einsamer Wolf“ – keine Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (strafbar gemäß §§ 129a, 129b StGB) und keine konkrete Kontaktaufnahme zu deren Repräsentanten (strafbar gemäß § 89b StGB) nachgewiesen werden konnten.51)

Damit hat der Gesetzgeber im Staatsschutzstrafrecht die Strafbarkeitsschwelle sehr weit in das Vorfeld konkreter Rechtsgutsverletzungen verschoben. Das Strafrecht ist damit eindeutig zugleich zum Instrument der Gefahrenabwehr geworden.

Die Regelungen der §§ 89a ff. StGB waren deshalb und wegen der Problematik einer hinreichenden Bestimmtheit von Anfang an heftiger Kritik ausgesetzt und sind es – insbesondere im Hinblick auf die erneute Ausweitung in § 89a Abs. 2a StGB – weiterhin.52) Die Bedenken sind durchaus gewichtig, wenn man sich vor Augen führt, dass die Tathandlungen wie das Ansparen von Geld, das Kaufen von Metallrohren oder Nägeln oder die Ausreise aus Deutschland objektiv neutral und legal sind, die Strafbarkeit also maßgeblich durch den Vorsatz des Täters und gegebenenfalls weitere subjektive Momente begründet wird. Nach herrschender und richtiger Auffassung wird in § 89a StGB aber nicht etwa die bloße Gesinnung, sondern das Umsetzen in die Tat, also eine konkrete Tathandlung, mit Strafe bedroht. Auch im besonders umstrittenen Fall des § 89a Abs. 2a StGB ist die Straftat erst begangen, wenn der Täter die „böse Absicht“ in die Tat umsetzt und zur Ausreise ansetzt.53)

Der Bundesgerichtshof hat in seinem grundlegenden Urteil vom 8. Mai 201454) entschieden, dass die Vorschrift des § 89a StGB mit dem Grundgesetz vereinbar sei, allerdings nur bei verfassungskonformer, einengender Auslegung zur subjektiven Tatseite. Für die Begründung der Strafbarkeit genüge es danach nicht, dass der Täter in sein Vorstellungsbild lediglich den allgemeinen Deliktstypus der von ihm vorbereiteten Tat aufnehme. Die Vorbereitungshandlungen des Täters müssten auf die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB gerichtet sein. Systematisch unabdingbar sei es deshalb, dass die geplante Tat jedenfalls bereits so weit konkretisiert sei, dass überprüft werden könne, ob sie die Voraussetzungen der Staatsschutzklausel erfülle. Zur Wahrung der Grundsätze des Tatstrafrechts sowie des Schuldprinzips und damit elementarer Garantien des Grundgesetzes sei es ferner zwingend erforderlich, dass der Täter bei der Vornahme der in § 89a Abs. 2 StGB normierten Vorbereitungshandlungen zur Begehung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat bereits fest entschlossen sei. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung genügt somit bezüglich des „Ob“ der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bedingter Vorsatz nicht.

In einer weiteren Entscheidung vom 6. April 201755) hat der Bundesgerichtshof an dieser Bewertung festgehalten und auch den Tatbestand der Ausreise bzw. des Ausreiseversuchs gemäß § 89a Abs. 2a StGB als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen und deshalb von der Einleitung eines Normenkontrollverfahrens (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) vor dem Bundesverfassungsgericht abgesehen. Zugleich hat das Gericht die Legitimation von präventiven Strafnormen hervorgehoben. Dem Schutz der demokratischen und freiheitlichen Ordnung durch eine effektive Bekämpfung terroristischer Straftaten komme großes Gewicht zu.56) Es sei erforderlich, potenzielle Täter schwerer staatsgefährdender Gewalttaten von den Ländern fernzuhalten, in denen diese in den Fähigkeiten unterwiesen werden können, die sie zur Begehung solcher Taten benötigen.57) Auch sei in den Blick zu nehmen, dass die (versuchte) Ausreise in vielen Fällen die letzte Möglichkeit darstelle, den potenziellen Täter einer Gewalttat noch zu erreichen, bevor er sich noch weiter radikalisiere und in eine terroristische Organisation verstricke. Bedenken gegen die besonders weite Vorverlagerung der Strafbarkeit würden durch die besonderen Anforderungen an den Vorsatz des Täters ausgeräumt. Dies stelle sicher, dass lediglich Reisen in terroristischer Absicht bestraft würden.58)

Da sich die auf eine Deliktsbegehung abzielende innere Vorstellung des Täters auch in einer äußeren Handlung, nämlich zumindest dem Versuch der Ausreise, manifestieren müsse, handele es sich auch nicht um unzulässiges Gesinnungsstrafrecht. Allerdings hat der Bundesgerichtshof zu erkennen gegeben, dass sich § 89a Abs. 2a StGB „im Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen“ bewege.59) Dieser Hinweis legt nahe, dass präventiv ausgerichtete Straftatbestände, die nochmals früher im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung ansetzen sollten, das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzen könnten.

Zusammenfassung

Im Bereich des Terrorismusstrafrechts ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers angesichts der überragenden Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter weit, aber nicht unbegrenzt. Der Gesetzgeber darf aus präventiven Erwägungen Straftatbestände schaffen, die den Beginn der Strafbarkeit weit in das Vorfeld geplanter Anschlagsszenarien verlagern. Er hat jedoch stets zu gewährleisten, dass die Strafbarkeit an die Verwirklichung einer konkreten objektiven Tathandlung anknüpft, die im Zusammenhang mit den subjektiven Unrechtselementen bereits einen rechtsgutsgefährdenden Unrechtskern in sich trägt.

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur