Bundeskriminalamt (BKA)

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Extremistinnen und Extremisten machen sich die globale Vernetzung zunutze

Schon immer haben Medien uns über Ereignisse jenseits unseres geographischen oder zeitlichen Kontextes informiert, das ist online aber besonders einfach. Diesen Umstand benutzen Propagandistinnen und Propagandisten und beziehen sich zum Beispiel auf globale Konflikte, wie die Verfolgung der Rohingya in Burma.37) Externe Konflikte spiegeln sich auch in deutschsprachiger Propaganda mit Auslandsbezug wider (s. auch Kap. 2.4).

Online-Medien ermöglichen es zudem, auch weit entfernte Ereignisse „in Echtzeit” mitzuerleben. Seit 2016 bietet Facebook die Live-Streaming Funktion an, bei der Nutzerinnen und Nutzer Videos von ihrem Smartphone aus live an ihre Freunde senden können. Plattformen wie Snapchat bieten kurze Videos an, die sich nach einem Tag automatisch löschen (sogenannte „Stories“). Jugendschutz.net erwähnt in seinem aktuellen Bericht zum Islamismus im Internet auch die Tatsache, dass Extremistinnen und Extremisten mit Hilfe von solchen Live-Werkzeugen gezielt Teilhabe am extremistischen Leben ermöglichen.38) Ein Beispiel ist die Live-Übertragung des rechtsextremistisch-motivierten Terroranschlags in Christchurch über Facebook Live.

Durch globale Vernetzung können beispielsweise auch Russland-finanzierte Werbeanzeigen in adaptierter Form als rechtspopulistisches Meme im deutschen Bundestagswahlkampf auftauchen,39) schließlich ist die globale Vernetzung extremistischer Akteurinnen und Akteure online einfacher zu bewerkstelligen, als wenn Treffen physisch stattfinden müssten. Gerade wenn es um die Vermittlung von Wissen, die Koordination von transnationalen Aktionen oder den Austausch konkreter Propaganda-Materialien geht, bieten Online-Medien praktische Strukturen an.

Als Fazit kann für die Ebene der digitalen Gesellschaft festgehalten werden, dass durch das Internet Akteurinnen und Akteure Zugang zu digitalen Öffentlichkeiten erhalten. Diese Möglichkeiten werden auch für die Lancierung und Verbreitung extremistischer Propaganda missbraucht. Empfehlungsalgorithmen und globale Vernetzung spielen Extremistinnen und Extremisten dabei in die Hände und können die Reichweite extremistischer Inhalte erhöhen. Die gleichen Möglichkeiten kann sich jedoch auch die Extremismusprävention zunutze machen.

Prävention in der digitalen Gesellschaft

Die Digitalisierung ermöglicht es mehr Akteurinnen und Akteuren, Propaganda im Netz zu verbreiten. Entsprechend braucht die universelle Radikalisierungsprävention (für Details zu unterschiedlichen Präventionsformen, s. Kap. 5.1) in der digitalen Gesellschaft verschiedene Handelnde, die sich grob in 1. Institutionen, 2. Zivilgesellschaft sowie 3. Medien und 4. Plattformbetreiber unterteilen lassen.

Institutionen

Behörden

Neben der institutionalisierten Gesamtprävention (s. Kap. 5 und 6) können Behörden eine wichtige Rolle in der strategischen Aufklärung über Präventionsangebote spielen. Beispielsweise stellt die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Materialien über Extremismen zur Verfügung und bietet im Rahmen des „Infodienstes Radikalisierungsprävention“ eine digitale Übersicht für Anlaufstellen im Kontext (ausschließlich) islamistisch-extremistischer Radikalisierung an. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellt Themendossiers zu (wiederum islamistisch-extremistischer) Radikalisierung an. Die Sicherheitsbehörden veröffentlichen Informationen zu verschiedenen Extremismen (u. a. gegen Rechtsextremismus unter Polizei-Beratung.de). Inwiefern diese Informationen es jedoch in die digitalen Lebenswelten Jugendlicher (oder von Pädagoginnen und Pädagogen) schaffen, ist unseres Wissens nach kaum beleuchtet. Immerhin: Die BpB ist auch bei Instagram, Facebook und Twitter vertreten.

Das Wissen über Meldesysteme für problematische Inhalte, wie sie beispielsweise Jugendschutz.net, das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet, mit dem Online-Meldeformular https://www.hass-im-netz.info/melden.html/ anbietet, ist unserer praktischen Erfahrung nach nicht weit genug verbreitet. Hier wären Aufklärungskampagnen auf breiter Basis wünschenswert.

Generell könnten auch staatliche Stellen Online-Medien nutzen, um über eigene Inhalte zu informieren und um den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen. Bund, Ländern und Kommunen kommen dabei auch im Umgang mit Online-Propaganda jeweils eigene Aufgabenbereiche zu, auf die an dieser Stelle jedoch nicht detailliert eingegangen werden kann. Die Kapitel 5, 6 und 7 bieten vertiefte Informationen zu den Präventionsangeboten auf den verschiedenen Verwaltungsebenen.

Zudem ist die Stärkung von demokratischen Grundhaltungen durch klare Positionierung gegen Extremismus von Seiten der Politik und ein Ausbau bzw. zumindest eine Verstetigung medialer Sensibilisierungs-Kampagnen und Programmen wünschenswert. Ein Vielfaltsdiskurs, wie wir ihn nicht erst seit der Zuwanderung führen sollten (seien es die Zuwanderungsströme in den 1960ern oder die in den letzten Jahren) und der bereits im Kindesalter begonnen werden muss, kann ein wichtiger Baustein für den Widerstand gegen Rassismen und Ideologisierungen jeglicher Art sein.

Schulen

Schulen kommt eine zentrale Rolle bei der Vermittlung von (Medien-)Kompetenzen an junge Mediennutzerinnen und -nutzer zu. Die Vielfalt an extremistischer Propaganda im Netz und die Verbreitung von Desinformationen stellen Pädagoginnen, Pädagogen, Eltern und Schülerinnen bzw. Schüler vor neue Herausforderungen. Es gibt jedoch verschiedene Projekte, die Bildungseinrichtungen bei dieser Herausforderung unterstützen. Der Aufgabe der Medienkompetenzvermittlung und Aufklärung in Schule und Unterricht nehmen sich beispielsweise die im Folgenden vorgestellten Projekte klicksafe und CONTRA an (für einen Gesamtüberblick über die deutsche Präventionslandschaft, s. Kap. 7).

Struktur und Informationen zum Kapitel / Modul

Fussnoten

Literatur

Quellen